Freudenberg. Beim zwölften Freudenberger Gelenktag standen nicht nur Gelenk- sondern auch Herzimplantate im Fokus. Die Mediziner des Diakonie Klinikums Bethesda in Freudenberg und des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen gaben ihr klinisches Wissen an rund 100 fachkundige Spezialisten weiter. Im Konferenzraum des Freudenberger Krankenhauses beantworteten die Experten zudem die Fragen der Gäste.
„Ich freue mich, dass der Gelenktag nach coronabedingter Pause wieder stattfinden kann und wir Aktuelles aus der Medizin thematisieren können“, eröffnete Dr. Birgit Schulz den Vortragsabend. Die Chefärztin der Unfall- und orthopädischen Chirurgie am Bethesda klärte über Implantate bei Schultergelenk-Verschleiß auf: „Sind neben den Gelenkflächen auch umgebende Muskeln und Sehnen zu stark geschädigt oder ist die Gelenkpfanne zu stark verschlissen, ist mit der anatomischen Prothese kein zufriedenstellendes Ergebnis erreichbar. Mit der inversen Form hingegen schon.“ Diese Prothesenart wird umgekehrt (invers) zur natürlichen Schulteranatomie platziert, wodurch sich Kraft und Beweglichkeit des Gelenks verbessern lassen. Wesentlich für eine erfolgreiche OP ist die Planung per 3D-CT, wobei virtuell eine Prothese implantiert wird und so die beste Implantat-Kombination ermittelt werden kann. „In Zukunft kann diese Planung virtuell in eine 3D-Brille des Operateurs projiziert werden, was die exakte Platzierung der Prothesenanteile noch weiter verbessert.“
Wissenswertes zu Implantaten bei gebrochenem Schultergelenk vermittelte Guido Harig, Oberarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im Bethesda. „Schultergelenk-Brüche werden aufgrund der demografischen Entwicklung in etwa zehn Jahren dreimal häufiger vorkommen“, so Harig. Denn: Mit dem Alter steigt die Sturzgefahr, die Knochendichte nimmt ab. Sind konservative Möglichkeiten ausgeschöpft, kann auch hier ein künstlicher Gelenkersatz helfen. „Schrauben und Platten im Knochen zu verankern, ist bei geringer Knochendichte wenig hilfreich.“ Für komplexe Frakturen eignen sich vor allem bei älteren Patienten meist inverse Endoprothesen, die bei der Primärversorgung sehr gute Ergebnisse bei erfahrenen Operateuren zeigen.
Was ein rund 30 Millimeter großes Daumen-Implantat kann, präsentierte Dr. Michael Pausch, Leiter der Sektion Hand- und Ellenbogenchirurgie in der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen. Für Menschen Daumensattelgelenk-Arthrose ist die sogenannte Resektionsarthroplastik das gängige OP-Verfahren. „Dabei wird das große Vieleckbein entfernt, was aber in der Folge den Daumen verkürzt.“ Deshalb setzen er und seine Kollegen auf die sogenannte Daumensattelgelenk-Endoprothese. „Die Daumenlänge wird damit erhalten und die Daumen-Beweglichkeit und -Funktion wiederhergestellt.“
Von Implantaten für die Hand ging es weiter mit jenen fürs Knie. Dr. Markus Boller, Oberarzt der Unfall- und orthopädischen Chirurgie im Bethesda, wies darauf hin, dass bis zu 20 Prozent der Patienten nach einer Knieprothesen-OP mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Mit präziser Diagnostik und Planung könne die Zahl jedoch reduziert werden. Dr. Boller empfiehlt: „Vor der OP die Chancen und möglichen Risiken ausführlich mit dem Patienten besprechen, den Eingriff exakt planen und dabei die passende Prothesen-Größe zur individuellen Kniegeometrie wählen.“ Nach dem Eingriff sollten regelmäßige Krankengymnastik, Labor- und Röntgenkontrollen sowie Thromboseprophylaxe auf dem Programm stehen.
An das Thema „Kniegelenk“ schloss sich der Vortrag von Dr. Thomas Bacher an. Der Oberarzt der Unfall- und orthopädischen Chirurgie im Bethesda nannte Vorteile der Knie-Teilendoprothese. Sie ersetzt nur die betroffene, geschädigte Gelenkfläche und stellt die natürliche Roll-Gleitbewegung des Kniegelenks wieder her. „Das Implantat eignet sich bei einer nur auf einen Gelenkabschnitt beschränkten Arthrose und erhaltenen Kreuzbändern.“ Die Prothese wird minimalinvasiv per acht Zentimeter großem Schnitt eingesetzt. Erfahrungen zeigen laut Bacher, dass die Patienten rasch genesen und schnell in den Alltag zurückkehren können.
Wissenswertes zu Hüft-Endoprothetik stellte Abdulnazer Maatug vor. Der Oberarzt der Unfall- und orthopädischen Chirurgie im Bethesda nannte Zahlen: „80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind ab dem siebten Lebensjahrzehnt von einer Hüftarthrose betroffen.“ Um ein künstliches Hüftgelenk im Knochen zu verankern, steht die zementfreie und die zementierte Option zur Wahl. „Wie Operateure vorgehen, hängt vom Alter und der Fitness des Patienten sowie auch von der Knochenqualität und Anatomie des Gelenks ab“, so Maatug. Je jünger ein Patient ist, umso eher wird zementfrei operiert. Für beide Methoden gilt, die Patienten schon einen Tag nach dem Eingriff zu mobilisieren.
„Ein endoprothetischer Gelenkersatz bringt nicht den gewünschten Erfolg, wenn er nicht vernünftig nachbehandelt wird“ – so die Kernaussage von Khaled Ibraheem. Der Assistenzarzt der Unfall- und orthopädischen Chirurgie im Bethesda sprach über die Wichtigkeit der Rehabilitation. Ziel ist es, Patienten zu einer schnellen Genesung und in ein Leben ohne Schmerzen zu verhelfen. Neben der körperlichen Reha mithilfe von Ärzten, Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeuten spielen während dieser Periode auch Anwendungen für die seelische und geistige Gesundheit eine wichtige Rolle, für die Sozialarbeiter, Seelsorger und der psychologische Dienst im Einsatz sind.
Kein Implantat fürs Gelenk jedoch eines fürs Herz stand im Zentrum des Vortrags von Professor Dr. Dursun Gündüz. Der Chefarzt der Kardiologie und Angiologie im Siegener Diakonie Klinikum sprach über den „MitraClip“, der bei einer undichten Mitralklappe zum Einsatz kommt. Luftnot und zunehmende Leistungsschwäche sind typische Symptome dieser Herzklappen-Erkrankung. „Zuallererst wird versucht, medikamentös zu behandeln. Reicht dies nicht aus, bietet sich das kathetergestütze Mitra-Clip-Verfahren für jene Patienten an, für die eine große Operation ein zu hohes Risiko darstellt“, so Gündüz.