Ein Jahr nach Luises Tod: "Kommen Sie bitte nicht nach Freudenberg"

Ein Jahr nach Luises Tod: "Kommen Sie bitte nicht nach Freudenberg"

Pressegespräch im Rathaus: von links Pfarrer Thomas Ijewski, Bürgermeisterin Nicole Reschke, Landrat Andreas Müller und Kreissozialdezernent Thomas Wüst.

Freudenberg. Anfang kommender Woche ist es genau ein Jahr her, dass die zwölfjährige Luise aus Freudenberg von zwei fast gleichaltrigen Mädchen in der Nähe des Radwegs bei Hohenhain getötet wurde (wir berichteten mehrfach). Um dem großen Interesse der Medien und der Öffentlichkeit schon im Vorfeld gerecht zu werden, fand am Dienstagmorgen im Rathaus ein Pressegespräch statt. Rund ein Dutzend Pressevertreter fanden sich im Ratssaal ein.

Bürgermeisterin Nicole Reschke, Pastor Thomas Ijewski, Landrat Andreas Müller und Thomas Wüst als Jugend- und Sozialdezernent des Kreises Siegen-Wittgenstein stellten sich den Fragen der anwesenden Medienvertreter, nutzten aber auch die Gelegenheit, aus ihren jeweils eigenen Perspektiven auf das Geschehen im März 2023 und das abgelaufene Jahr zurückzublicken. "Das Thema ist in diesen Tagen wieder sehr präsent", machte Bürgermeisterin Nicole Reschke keinen Hehl daraus, dass auch für sie die Situation nicht einfach sei. "Die Gedanken an das, was passiert ist, lassen einen nie ganz los - auch wenn die Abstände größer werden." Jeder müsse einen Weg finden, damit umzugehen. Nach wie vor gebe es zum Beispiel für die Helferinnen und Helfer Gesprächsangebote. "Aber wir spüren auch, wie wichtig es ist, eng zusammenzustehen und sich gegenseitig Halt zu geben."

Nicht zuletzt wegen der "unsäglichen Begleiterscheinungen" in den sozialen Medien sei der Weg zurück in die Normalität für viele Beteiligte nicht einfach. Daher sei die Arbeit an den Schulen nach wie vor äußerst wichtig. Die Zahl der Sozialarbeiterinnen sei auf vier Stellen aufgestockt worden. Es gebe Elternabende mit Hinblick auf die Medienkompetenz der Kinder und Programme, die das soziale Miteinander der Kinder und Jugendlichen unterstützen sollen. Zugleich seien in den Jugendzentren der Stadt ähnlich gelagerte Schulungen angeboten worden. An der Gesamtschule werde nächste Woche der Trauerraum geöffnet. Für die Vereine und andere Institutionen gebe es nach wie vor das Angebot der Unterstützung.

Pastor Thomas Ijewski von der evangelischen Kirchengemeinde stellte klar, nichts zum Befinden der Hinterbliebenen sagen zu wollen, formulierte aber eine Bitte der Familie: Luises Grab solle als private Bereich der Trauer den Angehörigen vorbehalten bleiben. Blumen, Kerzen oder Stofftiere seien oft lieb gemeint, aber "in der schieren Masse für die Familie einfach unerträglich". Auch habe er von vielen Menschen gehört, dass sie anlässlich des Jahrestages nach Freudenberg kommen wollen. Sein eindringlicher Apell: "Kommen Sie nicht nach Freudenberg, im Sinne der trauernden Familie". Statt dessen rät er, sich mit Personen im Umfeld über die eigenen Gefühle auszutauschen.

Landrat Andreas Müller erinnerte als Leiter der Kreispolizeibehörde an die physische und psychische Herausforderung und dankte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung sowie allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. 16 Kolleginnen und Kollegen des Regionalen Sozialen Dienstes für Freudenberg und Netphen hätten sich nach der Tat um die beteiligten Familien gekümmert. Für sie sei es oft ein "grausames Spannungsfeld" gewesen, den mutmaßlichen Täterinnen den Weg zurück in ihr Leben aufzuzeigen, während dies für Luise nicht mehr möglich gewesen sei. Eines der Mädchen lebe inzwischen in einer Wohngruppe außerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein, erhalte aber noch ambulante Unterstützung. Das andere Mädchen befinde sich noch in klinischer Betreuung, der Umzug in eine Wohngruppe stehe aber kurz bevor.

Thomas Wüst berichtete aus Sicht des Jugendamtes von einem "sehr dynamischen Prozess", bei dem für die jungen Täterinnen das familiäre Umfeld der einzige Anker gewesen sei. Noch immer seien fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes - allerdings nicht in Vollzeit - mit der Betreuung der Familien befasst.

Einen Ort der Trauer soll es in Freudenberg unterdessen nicht geben. "Ich halte wenig davon, die Erinnerung in Stein zu meißeln", so Pfarrer Ijewski, "vielmehr sollten wir die Erinnerung an Luise im Herzen tragen."

Wie die Westfalenpost am Dienstag berichtete, habe die Familie des Opfers Zivilklage gegen die beiden mutmaßlichen Täterinnen eingereicht. Eine offizielle Stellungnahme dazu gab es im Rahmen der Pressekonferenz nicht.

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